Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob die Grundprämisse der Frage überhaupt zutreffend ist, und wenn es stimmen sollte, mangelt es mir immer noch an Vergleichbarkeit.
Unterschiede in der Allgemeinbildung festzustellen, ist vielleicht noch nicht so problematisch. Das ließe sich mit Tests bewerkstelligen.
Gründe dafür festzustellen, ist nicht unbedingt so einfach.
Heute sind es 16, damals kochten 11 westdeutsche Bundesländer ihr eigenes Süppchen, und zudem müsste man sich die vermittelten Inhalte, die Didaktik und die Ergebnisse, was davon in den Köpfen bleibt, auch noch für mehrere Schulformen anschauen.
Da sich diese Faktoren noch im Laufe der Jahrzehnte verändert haben, muss man sich auch noch die verschiedenen Alterklassen anschauen.
Darüber hinaus kratzt das noch an die grundsätzliche Frage, was überhaupt dem Kanon des Allgemeinwissens zuzuordnen ist. Da dürfte man systemisch bedingt in DDR schon andere Vorstellungen gehabt haben, als in der Bundesrepublik.
Dialektischer und Historischer Materialismus dürften in der DDR bestimmt Lehrinhalte gewesen sein, in der Bundesrepublik hingegen nicht.
Von der Bildung und dem Schulsystem in der DDR weiß ich eigentlich so wenig, wie von der Bildung und den Schulen in anderen Bundesländern, als meinem. Von dem, was ich da an Schulen nicht selbst erfahren durfte, weiß ich im Prinzip auch nur anekdotisch, und so dürfte es doch den meisten Leuten gehen.
Von Schule in der DDR weiß ich nicht wahnsinnig viel. Auffällig ist die zentralistische Steuerung, gegenüber der Kleinstaaterei im Westen, die wir heute überall finden.
Die frühe Einteilung in mehrere Schulformen gab es wohl nicht. Das würde ich als Ausdruck eines egalitäreren Schulsystems werten, und letztendlich scheint es sich auch zu bewahrheiten, dass der Bildungserfolg damit weniger von der Herkunft abhing, als das im Westen der Fall war.
Einschränkend muss man aber wohl auch sagen, dass Akademikerkinder wohl eher mit Skepsis betrachtet wurden, eventuell andere Hürden zur Qualifizierung zum Studium hatten, und wer nicht "linientreu" war, hatte wohl auch oft Probleme.
Das lässt für mich zumindest andeuten, dass die Breitenbildung besser war. schließlich wurden in der Vergangenheit im Westen noch viele Leute mit der achtjährigen "Volksschule" abgefertigt, die bestenfalls abgespecktes Allgemeinwissen vermittelten, während für die "höheren" Schulen noch Schulgeld bezahlt werden musste.
Das westdeutsche Bildungssystem war jedenfalls über weite Strecken rückschrittlich, wenn nicht gar "reaktionär" verstaubt. Es entsprach eher den Ständevorstellungen, die man schon in Preußen als Ideal betrachtete - Volksschule für die "Malocher", Realschule für die niederen Beamten, besseren Kaufleute und zukünftigen Meister, Gymnasien für die Eliten, die die "höheren" Weihen der Bildung in Anspruch nehmen sollten - oder anders übersetzt: Soldat, Unteroffizier, Offizier.
Das zog sich wohl auch in den Nachkriegsjahren noch weiterhin durch die Gesellschaft, und es war wohl eine politische Entscheidung, dieses Kapitel zu beenden.
Das schien in der DDR früher der Fall gewesen zu sein - meines Erachtens nicht nur aufgrund eines anderen Gesellschaftsideals, sondern auch aus Notwendigkeit, denn vor dem Mauerbau muss der "Brain Drain", in Form der Flucht der Intelligenz, der Akademiker in den Westen, nicht gerade gering gewesen zu sein.
Man kam also nicht umhin, auch Leute in der Bildung in eine Richtung zu qualifizieren, die sie "traditionell" nicht eingeschlagen hätten.
Im Westen schien der Druck und der Bedarf erst zeitverzögert bestanden zu haben, und die Sozialdemokratie war da wohl ab den 60ern, meistens eher den 70ern der "Treiber", der zu einem Umdenken führte, während man in der DDR notgedrungen umdenken musste.
Die Didaktik und "Qualität" des Vermittelten spielt aber auch eine Rolle. Das ist meines Erachtens noch schwieriger einzuschätzen.
Ich weiß nicht, wie es in der DDR lief, aber im Westen war bis in die 60er Jahre wohl eher "Frontalunterricht" angesagt - Lehrer, die autoritär "dozierten", und wohl nicht nur im übertragenen Sinne Wissen in die Schüler prügelten.
Wenn man dieser Phase bewerten will, so muss man nach meiner Auffassung nicht nur die Gewalt bemerken, sondern wohl auch das stupide Erlernen von reinem Faktenwissen, ohne auf Zusammenhänge einzugehen. So war es anscheinend wichtiger, dass man beispielsweise im Geschichtsunterricht Jahresdaten und Zahlen abrufen zu können, als dass darauf eingegangen wurde, aus welchen Gründen sich die Geschichte in eine bestimmte Richtung entwickelt hatte. Im Deutschunterricht hatte man die Schüler eher damit gemartert, irgendwelche Lyrik auswendig zu lernen, als Textanalyse und Interpretation zu betreiben. In Volksschulen wurden zudem in vielen Bundesländern bis in die 60er hinein nicht einmal Fremdsprachen oder Algebra unterrichtet. Mädchen wurden oft auf ihre Hausfrauenrolle hin unterrichtet, lernten Nähen, Stricken und hatten Hauswirtschaftsunterricht.
Das dürfte auch ein "Zeitgeist" gewesen sein, den man in DDR nicht nur nicht haben wollte, man konnte ihn sich auch nicht leisten, weil man volkswirtschaftlich darauf angewiesen war, die Frauen als Werktätige zu aktivieren. Klar, dass das die Schulbildung bestimmt.
Zwei Unterrichtsinhalte finde ich an der Schule in der DDR auch bemerkenswert: staatsbürgerkundlicher Unterricht und Wehrunterricht.
Über die Schule organisierter Granatenweitwurf und Ausbildung an Schusswaffen sind wohl für Wessis so eine befremdliche Vorstellung, wie es für DDR-Schüler wohl der schulische Religionsunterricht sein dürfte.
"Staatsbürgerkunde" war wohl im sozialistischen Sinne gedacht und mit entsprechenden Inhalten gefüllt. Staatsbürgerkunde im Sinne der heutigen freiheitlich-demokratischen Grundordnung fände ich heute eigentlich gar nicht so verkehrt, weil mir regelmäßig die Nackenhaare hoch gehen, wenn ich höre, welches Rechtsverständnis manche Leute eigentlich haben, und was sie meinen, auf welcher Grundlage sie hier eigentlich leben.
Über allen Überlegungen und Vergleichen schwebt trotzdem weiterhin die Frage, was Allgemeinbildung überhaupt sein soll.
Schule ist schließlich mehr als nur eine berufsvorbereitende Maßnahme, und es besteht schon ein Anspruch einer "universaleren" Bildung, auf die man nicht nur in konkreten Fragestellungen des Alltags und des Berufs zurückgreift, sondern auch in anderen Feldern, wie der Kultur oder Philosophie, über einen "Wissensfundus" verfügen kann.
Ich bin da weiter unschlüssig, was Schule vermitteln soll, und wie man das überhaupt bewerten kann.
Was soll da wichtiger oder wertvoller sein? Die binomischen Formeln anwenden zu können, oder einen Knopf anzunähen? Integralrechnung, oder der Kategorische Imperativ? Ein Loch in die Wand zu bohren, oder die grundsätzlichen Glaubensaussagen der Religion?
Das lässt sich eigentlich kaum miteinander vergleichen, und trotzdem sollte Schule im Idealfall eigentlich all das vermitteln.
Das Problem ist eigentlich nur, dass auch diese Zeit begrenzt ist und sich der Unterricht mit allem vollstopfen lässt. Ich weiß es wirklich nicht, was alles "Allgemeinwissen" sein soll.
Ich kann eigentlich nur sagen, was in meiner schulischen Bildung zu kurz kam, was sich dann in Defiziten zeigt, an denen ich selbst und eigenverantwortlich arbeiten musste, weiterhin arbeiten muss, was mir dann insgesamt in vielen Bereichen eher "mittelprächtig" gelingt.
In dem Dilemma dürfte eigentlich jeder stecken, denn Schule vermittelt einfach nicht alles, was gegenwärtig subjektiv als wichtig erscheint, und wenn man ehrlich zu sich ist, dann dürfte man auch feststellen, dass man im Unterricht zu oft die Ohren auf "Durchzug" gestellt hatte, was sich dann an manchen Stellen hinterher rächt. Damit wird jeder konfrontiert sein, ob er nun das westdeutsche Schulsystem erfahren durfte, oder das der DDR.
Weil häufiger geäußert wird, dass die schulische Bildung am Berufsmarkt vorbei die falschen Inhalte vermittelt, und man der Auffassung ist, es werde zu viel weltfremder "Mumpitz" unterrichtet, so sei noch gesagt, dass man sich mit so einer Einschätzung manchmal auch auf dem Holzweg befinden kann.
Ohne jetzt auf Quellen verweisen zu können, scheint es Studien zu geben, die auch beruflichen Erfolg auf eine universalere Bildung zurückführen, bei der fachfremde Inhalte eine entscheidende Rolle spielen, indem sie Kreativität und Anpassungsfähigkeit fördern, befähigen, auch in weniger eingefahrenen Wegen zu denken. In dem Sinne ist der oft gescholtene Kunst-, Musik- oder Sportunterricht so wichtig, wie die konkreteren Inhalte im Mathe- oder Physikunterricht.
Das Problem unserer Zeit scheint aber eher zu sein, wie der Stoff vermittelt wird, wie auch der Umstand, dass vom Schulstoff in den Köpfen immer weniger hängen bleibt. Letztendlich wird nämlich immer häufiger bemängelt, dass es an Grundfertigkeiten mangelt, das Niveau schulischer Bildung sinkt.
Der Vergleich mit dem Bildungssystem der DDR kann da vielleicht neue Wege aufzeigen, auch wenn es bestimmt nicht erstrebenswert sein dürfte, hier den kompletten "Rollback" zu vollziehen. In manchen Aspekten scheint man aber etwas richtig gemacht zu haben.
Aber ob die Allgemeinbildung im Osten besser war, würde ich auch anzweifeln. Der Begriff der Allgemeinbildung ist doch zu schwammig, zu wenig definierbar, um das wirklich mit dem Brustton der Überzeugung sagen zu können.
Meines Erachtens geben wir heute erschreckend wenig für die Bildung aus, obwohl immer gefaselt wird, dass das unser eigentlicher "Rohstoff" sei. Aber auch hier muss man sagen, dass das Allheilmittel kaum darin bestehen kann, einfach mehr Kohle in das Bildungssystem zu pumpen. Da muss sich etwas am grundsätzlichen Leitbild ändern.